Der Nutzen von verdeckten Aufstellungen
Ich hätte zwar ein konkretes Anliegen für eine Systemaufstellung, mir ist das Thema allerdings zu intim, um es vor allen anderen auszubreiten.
Diese Anfrage bekommen wir von Anliegenbringern sehr oft. Die Hintergründe für diese nur zu verständliche Hemmschwelle sind vielfältig:
- Die Person ist in der Öffentlichkeit recht bekannt und möchte nicht ihr Innerstes vor Fremden offenlegen
- Es geht in der Aufstellung um traumatische Erlebnisse, die auch mit Scham, Schande oder Schuld behaftet sind
In diesen Fällen bieten wir oft die Möglichkeit einer „verdeckten Aufstellung“ an. Diese Variante kommt zudem nicht nur bei Familienaufstellungen, sondern auch sensiblen Firmenkontexten sehr häufig zur Anwendung. Die einzelnen Personen werden etwa mit Buchstaben (A, B, C…) oder Ziffern (1,2,3…) anonymisiert. Nur der Anliegenbringer und wir als Aufstellungsleiter selbst wissen, welche Person sich hinter der jeweiligen Abkürzung verbirgt. Für weiteren Verlauf des Aufstellungsprozesses hat diese Vorgangsweise keinerlei Einfluss. Die Aufstellungsmethode funktioniert ohne die klare öffentliche Benennung, da die Information durch ein separates Vorgespräch bereits ins Feld gegeben wurde.
Mehr noch: In vielen Fällen funktioniert die Methode der verdeckten Aufstellung sogar noch besser als eine offene Aufstellung.
Ein Beispiel dazu:
Gewissen Rollen werden oft bestimmte Stereotypen zugewiesen. Nehmen wir z. B. im familiären Kontext die Rolle einer Schwiegermutter. Im Volksmund ist diese familiäre Funktion nicht immer positiv besetzt. Das kann bei einer offenen Aufstellung dazu führen, dass bei der als Schwiegermutter gewählten Repräsentantin ihre Wahrnehmung in der Aufstellung mit Erfahrungen oder Stereotypen in der Aufstellung vermischt werden.
Mit einer verdeckten Aufstellung wird dies völlig ausgeblendet, da die Repräsentanten überhaupt nicht wissen können, wofür sie in der Aufstellung stehen. Sie können sich daher „nur“ auf ihre Wahrnehmung verlassen und sind daher auch in der Regel präziser in den Rückmeldungen.
Das Wunderbare daran ist, dass aber viele Repräsentanten dennoch im Lauf der Aufstellung eine Wahrnehmung bekommen, für wen oder was sie stehen. D. h. sie fühlen, für wen oder was sie stehen.
Ein sehr markantes Beispiel hatten wir vor kurzem bei einem unserer Aufstellungsnachmittage in Wolfsberg:
Eine verdeckt geleitete Aufstellung neigte sich langsam dem Ende zu. Eine Repräsentantin, die codiert für die Ziffer „5“ stand, stellte plötzlich eine Frage im Raum: „Stehe ich überhaupt für einen Menschen? Ich bezweifle das. Ich bin nur für einen Menschen als Unterstützung da.“
Lösung: Die Repräsentantin „Nummer 5“ stand für den Hund der Klientin. Dieser war über Jahre ihr treuer Begleiter und hat aus Loyalität viel Schmerz und viele Krankheiten übernommen. Im Schlussbild ging es dann darum, dass die Klientin ihre Verantwortung für sich selbst übernimmt und ihren treuen vierbeinigen Begleiter entlastet.
Auf ein baldiges Wiederlesen!
Dein Andreas Reisenbauer
(Bild von Gerd Altmann auf Pixabay)